Die Fußball-Europameisterschaft 2004 scheint für den Gastgeber einen perfekten Verlauf zu nehmen. Mit einem 2:1-Sieg gegen die Niederlande erreichte die portugiesische Mannschaft das Endspiel.
Den hoch verdienten Sieg stellten Cristiano Ronaldo und Nuno Maniche mit ihren Toren sicher. Der Anschlusstreffer durch ein Eigentor von Jorge Andrade brachte die Niederländer zwar noch einmal heran, zum Ausgleich jedoch reichte es nicht mehr.
Die Portugiesen waren es, die in diesem Halbfinale zuerst die Initiative ergriffen. Über weite Strecken der Partie erwiesen sie sich als das spielbestimmende Team. Etwa 60 Minuten lang hatten sie die Niederländer im Griff.
Doch unmittelbar nach dem 2:0 waren sich die Portugiesen ihrer Sache auf einmal zu sicher, wollten das Spiel locker nach Hause schaukeln und vielleicht noch ein wenig zaubern. Diese Phase der Unachtsamkeit wurde prompt bestraft. Die Niederländer verkürzten auf 1:2.
Bezeichnenderweise viel dieser Treffer durch ein Eigentor. Ohne fremde Hilfe schien die Mannschaft von Dick Advocaat an diesem Tage nicht zum Erfolg kommen zu können. Und auch in der verbleibenden Spielzeit waren zwingende Torraumszenen für die "Elftal" eher Mangelware, so dass der Sieg der Portugiesen nicht mehr in Gefahr geriet.
"Oranjes" zu passiv
Es wurde von Seiten der Niederländer auch zu wenig dafür getan. Von Beginn an war ihr Spiel eher defensiv ausgerichtet. Ruud van Nistelrooij stand im Sturmzentrum auf verlorenem Posten, bekam kaum Unterstützung. Lediglich Marc Overmars sorgte in der ersten Halbzeit auf dem rechten Flügel gelegentlich für Belebung, wurde aber zur Pause ausgewechselt.
Die Riege der niederländische Fußball-Kritiker hat Dick Advocaat mittlerweile so verunsichert, dass er bei Spielerwechseln versucht, jegliches Kritikpotential zu vermeiden. So wagte er es nicht, den schwachen Arjen Robben schon zur Pause auszuwechseln, stattdessen traf es eben Overmars. Dafür kam Roy Makaay ins Spiel. Bei einem Rückstand an sich eine gute Maßnahme, nur auf dieser Position war er vollkommen verschenkt. In den entscheidenden Situationen befand sich der Bayern-Stürmer viel zu weit vom Tor entfernt, um seine Vollstreckerqualitäten ausspielen zu können. Eine wirkliche Torchance hatte er demnach auch nicht.
Bondscoach Dick Advocaat stehen jetzt einige schwere Tage bevor. Es ist anzunehmen, dass er sein Amt niederlegen wird. Die harsche Kritik der letzten Wochen, die teilweise auch erheblich unter die Gürtellinie zielte, ist nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Für den Fall des Rücktritts wäre es dann eigentlich an der Zeit, dass einer aus dem Kreis der "Fußball-Experten" um Chefkritiker Johan Cruijff Verantwortung übernimmt und zeigt, wie es besser geht. Fraglich aber bleibt, ob es tatsächlich noch Trainer gibt, die sich diesen Job antun wollen.
Grenzenlose Euphorie in Portugal
Diese Probleme interessieren in Portugal kaum jemanden. Der Disput zwischen Trainer und Star, nach dessen frühzeitiger Auswechslung im Viertelfinale, scheint vom Tisch zu sein. Selten hat man Luís Figo in der jüngeren Vergangenheit so stark spielen sehen. Enorm lauf- und einsatzfreudig präsentierte er sich auch schon in den vorherigen Begegnungen. Doch nun glänzte er zudem mit fast vergessenen Qualitäten. Immer wieder versuchte er mit Tempodribblings zur Grundlinie vorzustoßen, um dann gefährlich in den Strafraum zu flanken. Gelegentlich zeigte er auch Zug zum Tor und hatte Pech bei einem Pfostenschuss.
Nach diesem Halbfinalsieg feiert man im Südwesten Europas den größten Erfolg überhaupt. Erstmals hat das portugiesische Nationalteam das Finale eines großen Turniers erreicht. Die Euphorie im Lande kennt keine Grenzen mehr. Nur noch ein Sieg fehlt an der absoluten Glückseeligkeit. Diesen gilt es am kommenden Sonntag in Lissabon einzufahren. Der deutsche Schiedsrichter Markus Merk wird die Partie im Estádio da Luz um 20:45 Uhr anpfeifen. Wer den Portugiesen dann gegenüber stehen wird, das entscheidet sich am Donnerstag, wenn Griechenland und Tschechien den zweiten Finalteilnehmer ermitteln.