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Auf dem Boden der Tatsachen

18. 10. 2007 - Enrico Barz

In der Öffentlichkeit und vielleicht auch im eigenen Selbstverständnis galt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft schon als der Top-Favorit auf den Gewinn der Europameisterschaft im kommenden Jahr. Verwundert das angesichts der problemlos absolvierten Qualifikation? Schließlich waren die Männer von Joachim Löw die ersten, die den Sprung zu EURO 2008 sportlich geschafft hatten.

Ein Dämpfer, der hoffentlich die Sinne schärft

Die Leistung gegen Tschechien jedoch vermittelte ein ganz anderes Bild. Weil es an der Einstellung fehlte, wie u. a. Torsten Frings zugab. Ein Rückfall in längst vergessen geglaubte Zeiten. Das schlechteste Länderspiel seit der 1:4-Niederlage in Florenz gegen Italien am 01. März 2006. Und ein Schatten auf der sonst so großartigen Bilanz des Bundestrainers. War zunächst zumindest noch das Bemühen erkennbar, so stellten die Deutschen in der zweiten Hälfte ihre Aktivitäten vollends ein.

Doch vielleicht ist gerade diese 0:3-Niederlage gegen die Tschechen ein Warnschuss zur rechten Zeit. Selbst hoch bezahlte Fußballprofis haben so etwas wohl doch regelmäßig nötig. Es gilt, zur Einsicht zu kommen, dass es eben niemals von alleine geht. Nur ein geringfügiges Nachlassen, eine nicht ganz optimale Einsatzbereitschaft - und schon gibt es ein böses Erwachen.

Tschechien folgt Deutschland zur EM

Die vorzeitig vollbrachte EM-Qualifikation beim 0:0 in Irland am vergangenen Samstag tat sicherlich ein Übriges. Es machte sich Selbstzufriedenheit breit. Und trotz aller Beteuerungen im Vorfeld gelang es nicht, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Es fehlte die letzte Konsequenz, der letzte Wille. Und der Spielverlauf erschwerte das Umsetzen der Ankündigungen zusätzlich. So zappelten die ersten beiden Torschüsse der Tschechen im Netz. Zudem stand die Mannschaft von Karel Brückner gut gestaffelt, verlegte sich aufs Kontern und konnte so die Fahrkarte zur EM nach Österreich und in die Schweiz lösen.

Auf der Suche nach dem wahren Leistungsvermögen

Für die deutschen Fußballfans hat mit dem Spiel gegen die Tschechen die Zeit der unsäglichen Freundschaftsspiele begonnen. Wird es jetzt tatsächlich bis zur EM zahlreiche Partien solch miserabler Qualität geben?

Schwarz-Weiß-Malerei ist sicherlich hier fehl am Platze. Die bislang überzeugenden Auftritte der Ära Löw gegen mittelprächtige Gegner sind ebenso kein Maßstab wie das abgeschenkte Spiel gegen Tschechien. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Fakt ist, noch kann die junge Generation nicht uneingeschränkt und vollumfänglich in die Bresche springen. Die Ausfälle von zahlreichen Stammkräften sind eben nicht auf Dauer zu kompensieren. Stärkere Gegner decken die Defizite schonungslos auf.

In jedem Fall besteht für die deutschen Nationalspieler überhaupt kein Grund zu Arroganz und Selbstüberschätzung. Das verdeutlicht schon allein der Blick auf die Ergebnisse des Jahres 2007 und die zugehörige Gegnerschaft. Topmannschaften waren nicht darunter. Den stärksten Eindruck haben noch die Rumänen hinterlassen, das aber auch nur eine Halbzeit lang. England und Tschechien dagegen sind im europäischen Vergleich momentan allenfalls zweitklassig. Dessen sollte sich jeder bewusst sein, denn auch zu den kommenden vier bereits fest vereinbarten Länderspielterminen muss sich das DFB-Team mit Mannschaften dieser bekannten Güteklasse auseinandersetzen. Vermutlich wird die echte Nagelprobe erst während des EM-Turniers erfolgen. Bis dahin gilt es, konzentriert zu arbeiten und das eigene Selbstbewusstsein zu stärken. Zudem geht es auch darum, einen Platz im 23-köpfigen EM-Aufgebot zu ergattern. Dafür gibt es reichlich Bewerber. Raum für schwache Leistungen ist da kaum. Vielmehr gilt es, jede sich bietende Möglichkeit zu nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen. Und nicht zuletzt sollen die Gegner wieder Respekt oder sogar Angst vor der deutschen Mannschaft haben. Ein solch peinlicher Auftritt wie gegen Tschechien ist da eher hinderlich.


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